Versicherungsbranche: Überblick
Der Schweizer Versicherungssektor zählt zu den weltweit grössten und ist bedeutend für die Schweizer Wirtschaft. Unter den rund 210 Gesellschaften in der Schweiz spielen ausländische Versicherer eine grosse Rolle. Umgekehrt sind Schweizer Versicherer auch im Ausland aktiv. Die Branche besteht aus dem Lebens-, dem Schaden- und Unfall- sowie Krankenversicherungsgeschäft. Zur Sparte 'Leben' zählen auch Renten- oder Berufsunfähigkeitsversicherungen. Für Absolventen technischer Fachrichtungen ist die Sparte der Schadenversicherungen besonders interessant, zu der beispielsweise Haftpflicht- und Motorfahrzeugversicherungen, aber auch die Mehrzahl der Industrieversicherungen zählen. Darüber hinaus gibt es Rückversicherer, bei denen die Erstversicherer wiederum Verträge abschliessen, um grosse Schäden finanziell tragen zu können.
Vor wirtschaftlichen Herausforderungen
Vor dem Hintergrund der europäischen Staatsschuldenkrise von 2008 sowie verschärften Kapitalvorschriften steht die Versicherungsbranche derzeit unter hohem Druck ihre Kosten zu reduzieren und gleichzeitig die Einnahmen zu sichern. Die Einsparungsmassnahmen werden gezielt in die Gewinnung von Neukunden investiert. Eine weitere Herausforderung für die Schweizer Versicherungsbranche ist der gestiegene nationale sowie globale Wettbewerb. Aus diesem Grund wird trotz Kosteneinsparungen weiterhin gezielt nach Fachpersonal und qualifizierten Absolventen gesucht.
Versicherungen: Nah dran am Kunden
Die Versicherungsbranche ist stark beratungs- und vertriebsorientiert. Der enge Kontakt zum Kunden spielt eine wichtige Rolle im täglichen Geschäft. Vor allem die Vertriebsmitarbeitenden, die je nach Versicherungssparte Privat- oder Firmenkunden betreuen, müssen sich mit den Produkten bestens auskennen. Da die Angebote ständig komplexer und – besonders in der Industrieversicherung – mitunter sogar individuell auf den Kunden zugeschnitten werden, nimmt die persönliche und kompetente Beratung eine immer wichtigere Rolle ein. Kurz: Die Versicherer leben vom Erfolg ihres Vertriebs.
Vielfältige Aufgaben für Wirtschaftsabsolventen
Ebenso bedeutend sind die Mitarbeitenden, die "hinter den Kulissen" tätig sind: Ohne Produktentwickler, Risiko- und Schadenmanager könnte ein Versicherungsunternehmen nicht funktionieren. Darüber hinaus gibt es zahlreiche versicherungsferne Aufgaben wie Controlling, Revision, Rechnungswesen, Personal, Marketing oder Informationstechnologie, für die Wirtschaftsabsolventen mit entsprechenden Spezialisierungen im Studium benötigt werden.
Interessante Herausforderungen für Technikabsolventen
Absolventen mit technischem oder naturwissenschaftlichem Abschluss sollten einen Blick hinter die Kulissen der Versicherungsbranche werfen, denn dort warten interessante Herausforderungen. Zum Beispiel für Informatiker: Sie kümmern sich um die Automatisierung von Geschäftsprozessen sowie die Sicherung und Bereitstellung der Datenbestände. Ingenieure und Naturwissenschafter haben gute Chancen, im Riskmanagement einer Versicherung einzusteigen. Hier ist ihr fachliches Verständnis beispielsweise bei der Bewertung von Bauvorhaben oder Prozessen in der industriellen Fertigung gefragt.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist bei Versicherungen an der Tagesordnung: Ingenieure arbeiten etwa eng mit Mathematikern zusammen, die anhand von Daten zur Schadenhäufigkeit oder zur erwartenden Kostensteigerung die Tarife und Prämien für Versicherungsprodukte kalkulieren. Weil die Risiken im Zuge der voranschreitenden Technologisierung von Produktion und Handel immer schwerer überschaubar sind, ist die Versicherungsbranche auf fundierte Einschätzungen von Technikexperten angewiesen. Naturwissenschafter kommen im Bereich der Elementarschadenversicherungen zum Zuge, in diesem neue Modelle zur Absicherung von Naturkatastrophen entwickelt werden.
Anforderungen in der Verischerungsbranche
Wer im Vertrieb einsteigen will, muss auf jeden Fall kontaktfreudig sein und gern mit Menschen zu tun haben. Da die Vertriebsmitarbeitenden oft aufgrund von Kundenbesuchen unterwegs sind und daher weniger Kontakt zu den Kollegen haben, ist eigenverantwortliches und selbstständiges Arbeiten sowie Selbstmotivation ein absolutes Muss, um Erfolg zu haben.
Versicherungsbranche: Starke Persönlichkeiten gesucht
Belastbarkeit und Stressresistenz sind unverzichtbar. Ein "Nein" sollte auch mal weggesteckt werden können, ohne sich davon demotivieren zu lassen. Ausserdem zeichnen ausgeprägte Kommunikationsfähigkeiten und Verhandlungsgeschick einen guten Vertriebsmitarbeiter aus. Analytisches Denken und Konzeptionsstärke wird vor allem von denjenigen erwartet, die sich mit dem Thema Vertragsgestaltung befassen wollen.
Einsteigen bei Industrie- oder Rückversicherung
Wer in der Industrieversicherung oder bei einem Rückversicherer anfangen will, wird sich auf internationalem Parkett bewegen. Daher muss ein Bewerber sehr gute Fremdsprachenkenntnisse mitbringen – vor allem Englisch, besser sogar noch weitere Sprachen wie Französisch oder Italienisch, mit denen man auch innerhalb der Schweiz flexibler auftreten kann. Auf den Nachweis eines längeren Auslandaufenthaltes kann ein Bewerber hier kaum verzichten. Wer sich bereits durch eine Ausbildung oder qualifizierte Praktika in einer anderen Branche auskennt, hat gute Chancen, in der Industrie und Rückversicherung schnell für Kunden dieses Bereichs zuständig zu sein.
Anforderungen an Technikabsolventen
Voraussetzung für den Berufsstart in dieser Branche ist das Interesse an den eher abstrakten Produkten Versicherungen und Finanzdienstleistungen. Wer im Riskmanagement einer Industrieversicherung oder eines Rückversicherers anfangen will, verbringt einen Grossteil seiner Arbeitszeit mit der systematischen Erfassung und Bewertung von Schadensrisiken. Dies ist nur in engem Austausch mit dem jeweiligen Kunden möglich, daher sollten Bewerber über ausgeprägte kommunikative Fähigkeiten und analytisches Gespür verfügen. Ingenieure und Naturwissenschafter mit Verkaufstalent sind auch im Vertrieb bei der Betreuung von Grosskunden gefragt.
Karrierechancen in der Versicherungsbranche
Absolventen haben die Wahl zwischen den einzelnen Versicherungssparten und Unternehmensfunktionen wie Controlling, Marketing, Personal oder Recht. Wer sich bewährt, hat die Möglichkeit, entweder eine Führungs- oder eine Fachlaufbahn einzuschlagen. Führungskräfte haben dabei die Verantwortung für ein Team, einen Bereich oder eine Abteilung, wobei die Anzahl der Mitarbeitenden im Laufe der Karriere weiter steigen kann.
Versicherungsbranche: Fachlaufbahn als Wirtschaftswissenschaftler
Fachkräfte übernehmen als Experten Projektverantwortung oder sind in der Industrieversicherung zum Beispiel für eine Branche zuständig. Sie betreuen eigenständig Grosskunden oder Grossprojekte, sei es in der Versicherungstechnik oder in den zentralen Abteilungen. Underwriter, die Zuständigen für die Risikoprüfung, können zum Senior Underwriter aufsteigen und mehr Verantwortung übernehmen. Wechsel zwischen Bereichen, Funktionen und auch Ländern sind vor allem in internationalen Unternehmen möglich, wo Auslandsentsendungen von Mitarbeitenden üblich sind.
Karrierechancen von Technikern in der Versicherungsbranche
Ingenieure und Naturwissenschaftler, die sich für den Einstieg in die Versicherungsbranche interessieren, finden beste Karrierebedingungen vor. Wer einen kombinierten Abschluss mit Wirtschaftsschwerpunkt vorweisen kann, hat prinzipiell die gleichen Aufstiegschancen wie ein reiner Wirtschaftswissenschaftler: Fachlaufbahnen sind ebenso möglich wie die Übernahme von Führungsaufgaben.
Expertenwissen gefragt
Speziell in der Industrieversicherung werden Ingenieure und Naturwissenschaftler gerne als fachliche Berater eingesetzt. Als Experten spezialisieren sie sich auf eine Branche oder bestimmte Risikofaktoren und sind dann Ansprechpartner für alle Abteilungen, welche sich mit diesem Thema beschäftigen. Informatiker steigen in der Regel direkt auf einer Spezialistenposition ein. Sie können über die Verantwortung für Projekte bis zum Leiter der Informationstechnologie aufsteigen.
Weiterer Autor: Sonja Graubner
Sabine Olschner, Gastautor